Supermarkt-Spirituosen im Test

Im Test: Highland Park Voyage of the Raven

Highland Park Voyage of the Raven

Wer ein bisschen die Szene verfolgte, der hat mit Sicherheit mitbekommen, dass Highland Park in letzter Zeit eine Abfüllung nach der anderen auf den Markt geworfen hat. Altersangaben und vernünftige Preise sucht man dort oft vergebens. Nun ist die Brennerei auf der anderen Seite auch dafür bekannt, dass sie ziemlich guten Whisky produzieren. Das sorgt anscheinend für den nötigen Absatz, damit so eine Politik gerechtfertigt bleibt. Den Geldbeutel der Fans jedoch schonen sie dabei nicht. Wenn so gute Whiskys herauskommen, soll mir das recht sein. Und darum geht es heute, ich habe die neueste Abfüllung (ach nein, es gibt ja inzwischen den Full Volume) vor mir, den Highland Park Voyage of the Raven. Mir wurde die Flasche vor rund zwei Monaten geschenkt, seitdem steht sie unbeachtet in meinem Schrank. Zu Unrecht, wie ich festgestellt habe.

Voyage of the Raven, einen reißerischen Namen hätten sie sich schwer ausdenken können. Was das mit Whisky oder der Brennerei selber zu tun hat, musste die Destille auch erst einmal erklären. Es muss irgendwas mit Wikingern zu tun haben, so viel ist klar. Auf der Webseite (und auf der Verpackung) findet man den Grund: Odin hatte die zwei Raben Hugin und Munin, die ihm alles erzählten, was auf der Welt geschah. An der Stelle muss ich der Marketingabteilung mal meinen Respekt zollen, von Highland Park auf Wikinger, auf Odin, auf Hugin und Munin und dann auf „Voyage of the Raven“ zu schließen, das ist schon eine Leistung. Ein klangvoller Name bedeutet vor allem meist eines, einen hohen Preis. Auch hier hat sich Highland Park mühselig einen Ruf erarbeitet, meist nicht wenig Geld für ihre Abfüllungen zu verlangen.

Der Highland Park Voyage of the Raven ist ein Scotch ohne Altersangabe. Abgefüllt wird er mit krummen 41,3% Alkohol. Die Lagerung erfolgte zu großen Teilen in ehemaligen Sherryfässern. Die Flasche wechselt für stolze 70€ den Besitzer. Dabei ist sie natürlich streng limitiert, die meisten Händler verkaufen nicht mehr als 1-2 Flaschen pro Kunde. Ob der Preis und die Limitierung gerechtfertigt ist, dass versuche ich jetzt herauszufinden.

Verkostung des Highland Park Voyage of the Raven

Die Farbe ist ein dunkles Gold. Er ist deutlich dunkler als der Highland Park mit 12 Jahren. Das spricht erst mal für ein gewissen Alter. Oder zumindest für gute Fässer, welche noch nicht so oft benutzt worden sind. Denn wie es für die Brennerei von Highland Park üblich ist, wurde auch der Voyage of the Raven nicht gefärbt. Wenn man ihn im Glas schwenkt, hinterlässt er schön viele Beinchen an der Glaswand.

Geruch

Boah, der Geruch ist voll und voluminös. Das bin ich gar nicht gewöhnt! Er nimmt dabei die ganze Nase ein. Schön. Wie alle Highland Parks ist auch dieser Whisky leicht rauchig, die Rauchnote ist allerdings auffallend schwächer als sonst. Dazu ist er süß und fruchtig. Zur Fruchtigkeit muss man sagen, den Sherryanteil nehme ich deutlich wahr. Er bringt rote Früchte ins Spiel und in die Nase. Im Unterschied zu den sogenannten Sherrybomben sind es hier jedoch keine schweren Früchte, wie Trockenobst oder ähnliches, denn der Voyage of the Raven ist zusätzlich ein bisschen säuerlich. In dieser Kombination wird einem der Eindruck von frischem, und nicht getrocknetem Obst vermittelt. Die Frucht selber ist für mich allerdings nicht wirklich greifbar. Entfernt erinnert sie mich an Kirschen oder rote Äpfel, jedoch nur in Anklängen und ohne, dass deren Aroma prägnant wäre.

Neben dem Obst scheint wieder der Brennereicharakter von Highland Park durch. Ich meine damit diesen Geruch nach Kräutern, welcher von vielen als Geruch von Heidekraut beschrieben wird. Dazu wird es frisch in der Nase und ein bisschen süß. Karamell, vielleicht ist eine Prise Muskat dabei. Kardamom klingt an, ist aber nicht seifig. Nelken und weihnachtliche Gewürze. Das harmoniert alles miteinander und ist sehr stimmig, Fehlnoten nehme ich keine wahr. Ein Nasenschmeichler. Der Alkohol bleibt unsichtbar, das sollte allerdings bei nur 41,3% und der Preislage auch zu erwarten sein. Ein sehr schöner, runder und leichter Geruch. Leicht, und voluminös. Ja, das geht beides. Der Highland Park Voyage of the Raven kann das.

Geschmack

Im Mund merkt man dann den Alkohol. Er prickelt so schön und bringt eine Schärfe wie von Pfeffer mit, ist aber im Vergleich nicht sehr stark. Der Highland Park Voyage of the Raven wirkt sehr leicht und mild im Mund. Überraschenderweise schmecke ich fast keinen Rauch, dafür sehr viel Malz. Nach dem Malz kommt erst einmal nichts, der Whisky wirkt wässrig. Überhaupt ist im Geschmack nicht sonderlich viel los. In der Nase fand ich es noch angenehm, das so alles ineinander überging, jetzt muss ich mich wirklich anstrengen, im Geschmack die restlichen Eindrücke zu beschreiben.

Da haben wir Eiche aus dem Fass, das gewisse Kräutige, Karamell, Röstnoten und ein Hauch von Anis. Aber ehrlich gesagt schmecke ich nichts, was den Whisky großartig auszeichnet oder ihn unverwechselbar macht. Er schmeichelt mit einer Milde. Das ist gekonnt, ja, aber reicht mir für den Preis leider nicht aus. Die Früchte aus der Nase sind im Mund verschwunden.

Abgang

Im Geschmack war er schon zurückhaltend, der Abgang ist daher auch sehr kurz. Eiche, ein Hauch von Rauch und eine leichte Frische von Anis verbleiben. Wie schon beim 12-jährigen sorgt auch der Raven für ein trockenes Mundgefühl.

Im Vergleich zum Highland Park 12 Jahre

Der Raven wirkt wie eine aufgepeppte Version des 12-jährigen Standards. Im direkten Vergleich ist der Raven im Geruch intensiver und komplexer. Hier finde ich noch Gewürze, die ich beim anderen nicht gefunden habe. Der 12-jährige hat dafür einen kräftigeren Geschmack. Der Rauch tritt dort wesentlich stärker in Erscheinung. Außerdem merke ich erst im direkten Vergleich, wie mild der Raven ist. Der 12-jährige wirkte auf den ersten Schluck fast schon scharf, bedingt durch die stärkere Pfefferschärfe.

Fazit

Ja, der Raven ist nett. Im direkten Vergleich zum 12-jährigen schmeckt er mir sogar besser. Die fehlende Altersangabe stört gar nicht mal so sehr, denn es kam genug aus den Fässern rüber. Ich habe zum Beispiel mehr Eiche geschmeckt als beim 12-jährigen. In dieser Hinsicht ist alles in Ordnung, aber spätestens beim Preis knallt es. Das Preis-Leistungsverhältnis ist jenseits von gut und böse. Ja, er ist wirklich besser, aber ich bin für diese Steigerung nicht gewillt einen Aufschlag von 35-40€ zu zahlen. Das ist immerhin eine Preissteigerung von 100% und der Whisky das nicht wert. Das ist Schade, denn der Highland Park Voyage of the Raven ist echt ein guter Whisky. Ich kann mir den gut als Einstieg für ein Tasting vorstellen (trotz der Rauchnote, welche ja schwach ausgeprägt ist) oder ihn liebend gerne Einsteigern empfehlen. Ich würde sogar fast sagen, das ist DER Whisky, den man Einsteigern anbieten sollte. Denn er hat einen minimalen Rauch, Sherryeinflüsse und ist im Geschmack sehr mild und nicht überfordernd.

Fans von Highland Park kommen hier auf ihre Kosten. Ich kann mir eigentlich niemanden vorstellen, dem der Raven nicht schmecken würde. Für 30€ wäre er eine Bereicherung für jede Bar, für 40€ ist er nett, für 70€ jedoch nicht mehr zu empfehlen, dafür passiert im Mund zu wenig. Wem Geld egal ist, der kann hier ruhig zugreifen. Die anderen kaufen für das selbe Geld 2 Flaschen vom 12-jährigen und fahren nicht viel schlechter.

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